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Erfolgsfaktor Kundenzentrierung: Q&A mit Senior Partner Roland Bernhard

Roland Bernhard

In dieser Frage-Antwort-Runde unterhalten wir uns mit Roland Bernhard, Senior Partner der VIVALDI Standorte London und Zürich um zu erfahren, wieso kunden-zentrische Organisationen in Wirklichkeit «menschen-zentrisch» sind – und wie die global besten Unternehmen Kundenzentriertheit leben.

Sie waren Marketing Leader in zwei weltbekannten Konsumgüterfirmen. Beide sind sehr erfolgreich, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Wie gehen die beiden an das Thema Kundenzentrierung heran, und wie hat das Ihre eigenen Ansichten geprägt?

Als globaler CMO für Red Bull habe ich die Marketing-Analytik in die Organisation gebracht. Ich realisierte, dass das Geschäft zwar rasant wuchs, aber weitgehend horizontal (neue Märkte und Distributionskanäle) und nicht vertikal (Nachfrage). Solche Erkenntnisse können einem die Augen öffnen für notwendige Strategieanpassungen. Die Kundenzentrierung von Red Bull stammt von einer konsequent markengeführten Kultur – in Kombination mit der wohl besten Umsetzung der Welt. Jedes Detail ist «on-brand» und relevant für eine klar definierte Zielgruppe, Kompromisse werden vermieden. Zum Beispiel würde man keine separate «VIP-Lounge» für die Führungskräfte eines Retailers an einem Extremsport Event finden. Coca-Cola und Unilever würden das aus pragmatischen Gründen tun.

Bei Coca-Cola erlernte ich die ausgeklügeltsten Insights- und Modeling Techniken – und die Kraft des Denkens in «Consumer Need States», um Markenwert und Volumen zu treiben. Es überrascht mich stets von neuem, dass selbst in renommierten Firmen diese Ansätze noch nicht überall implementiert sind und nur ein rudimentäres Kundenverständnis vorhanden ist.

Diese praktischen Erfahrungen in zwei führenden Marketingfirmen und über hundert Consulting-Projekte haben eindeutig meine Sichtweise beeinflusst. Heute realisiere ich, dass konsumentenzentrische und von Marken geleitete Strategien Hand in Hand gehen müssen – man muss den Kundenbedürfnissen entsprechend handeln, aber auch eine eigene Markenvision entwickeln.

In VIVALDIs derzeitiger Zusammenarbeit mit einem renommierten Spirituosen-Unternehmen schaffen wir gemeinsam eine agile, kundenzentrische «High Performance» Marketingorganisation. Eine Herausforderung, die Spass macht!

Welche Rolle spielt die Kundenzentrierung bei der Geschäftstransformation?

Insbesondere im B2B und Tech-Umfeld kann Kundenzentrierung ein starker Antrieb für einen Veränderungsprozess sein. Im Gegensatz zu den meisten Konsumgüter- und Serviceunternehmen ist Kundenorientierung oft nicht in deren DNA verankert.

Typischerweise verläuft die Transformation von einem produkt- und verkaufszentrischen Modell hin zu einem kunden- und markengeführten Ansatz. Es ist ermutigend zu sehen, wie mehr und mehr B2B Firmen die Idee verinnerlichen, dass auch sie letztlich an Menschen und nicht an Unternehmen verkaufen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Telecom Anbieter Swisscom, welcher im B2B und B2C Geschäft tätig ist. Dieser betraut ein «Human-Centered Design» Team mit der Kernaufgabe, die Armee von «Techies» und Ingenieuren (mit einem Hang zur Produktverliebtheit) dabei zu unterstützen, bei allem Tun den Kunden ins Zentrum zu rücken – von neuen Dienstleistungen bis hin zu verbesserten Produkten. Dieses agile Team arbeitet in Büros, die genauso offen und unkonventionell sind wie jene von Google. Dabei dient eine Wand mit aufgeklebten bunten Schuhen als tägliche visuelle Gedankenstütze: Denke und handle, als ob du in den Schuhen deiner Kunden gehen würdest!

Als Berater für europäische und globale Unternehmen: Welche Eigenschaften besitzen Unternehmen, die echt kundenzentrisch arbeiten?

Vielleicht die wesentlichste Eigenschaft: Das Top Management glaubt an die Kraft gelebter Kundenzentrierung und befähigt, ermächtigt und belohnt jene Verhaltensweisen, die diese unterstützen. Die blosse Auflistung von «Kundenzentrierung» in den Unternehmenswerten oder -Website reicht nicht aus.

Die kundenzentrischsten Organisationen sind in Wirklichkeit menschenzentriert – sie kümmern sich um ihre Mitarbeiter genauso wie um ihre Kunden. Sie haben Strukturen, die schnellere, eingehendere Dialoge mit Kunden fördern – und das quer durch Abteilungen und Funktionen. Das bedeutet letztlich, vorhandene Silos niederzureissen. Und sie reagieren nicht nur auf die Kundenbedürfnisse – sie antizipieren diese.

Welchen Herausforderungen begegnen Firmen beim Bestreben, ein differenziertes Bild ihrer Kunden zu erhalten?

Konsumenten wissen nicht, was sie wollen – bis sie es wollen! Herkömmliche Forschungsansätze liefern allzu oft Daten, die nicht brauchbar sind, das Offensichtliche feststellen oder zurückschauend sind anstatt den Weg nach vorne zu weisen. Apropos Daten: in der heutigen Zeit voller Informationen ist der Datenmangel selten das Problem. Häufiger liegt die eigentliche Herausforderung im Mangel an echten Erkenntnissen.

Folglich bedürfen Unternehmen zwingend Ressourcen, um strategieleitende Erkenntnisse aus ihren Daten zu extrahieren. Ich nenne das «add meaning to the data». Im Verstehen des Nachfrage-Ökosystems – und dem entsprechenden Handeln – liegt zweifellos eine Quelle von nachhaltigem Wettbewerbsvorteil.

Wenn Sie den heutigen Markenverantwortlichen und CEOs eine Empfehlung geben könnten, welche wäre es?

Denken Sie daran, dass Strategie die Umsetzung leiten soll – und nicht umgekehrt.

Zu viele Unternehmen springen immer noch zu rasch zur Umsetzung, weil tangible Dinge sich scheinbar einfacher dem Management «verkaufen» lassen. Dabei finden sie für diesen «Strategy-light Approach» bereitwillige Helfer bei ihren Werbeagenturen. Diese Taktik kann jedoch ein kostspieliger Fehler sein – oberflächliche Analyse und mangelnde Substanz können die angestrebten Resultate gefährden. Klar: ein strategischer Kompass allein ist ebenfalls nicht ausreichend… Konsumenten sehen ja nicht Ihre konzeptionelle Vollkommenheit, sondern die Manifestationen Ihrer Strategie.

Daher: Denken Sie bei der Strategieerarbeitung bereits an die brillante Exekution, involvieren Sie Ihr Team, und stiften Sie echten Nutzen für Ihre Kunden. So einfach ist das – und doch so ungemein anspruchsvoll.

 

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